Beratung, Seelsorge, Coaching

Abgrenzung und Zuwendung in der Partnerschaft

«Nein, zu diesem Geschäftsessen komme ich nicht mit, du kannst allein gehen.» Klaus, Petras Mann, runzelt die Stirn. Was ist nur mit seiner Frau los?

Datum
18. August 2020

Schon gestern Abend hat Petra seine Annäherungsversuche liebevoll, aber sehr bestimmt zurückgewiesen. Seit sie in eine Beratung geht, scheint sich etwas in ihrer Partnerschaft zu verschieben. Petra erscheint ihm freier und lebendiger, sich grenzt sich mehr ab. «Ich muss mich jetzt mehr zurücknehmen und verzichten», denkt Klaus nachdenklich.

Eine lebendige und erfüllende Partnerschaft lebt von dem, was der eine dem anderen schenkt, für ihn tut und an ihm aktiv wertschätzt. Liebe sieht die Bedürfnisse des andern und stillt sie. Sie hat das Gegenüber im Blick. Eigene Bedürfnisse werden zugunsten des Miteinanders zurückgestellt. Nicht selten stellt die Paarentwicklung die eigene Entfaltung etwas in den Schatten. Vor allem in der Phase der Verliebtheit fliesst alle Energie ins Wir. Sie fröstelt: Er zieht seine warme Jacke aus und legt sie liebevoll um ihre Schultern. In solchen Zeiten macht Partnerschaft Spass und ist easy.

Der Weg von der Verliebtheit zur Liebe

Doch jede längerfristige Zweierschaft erlebt eine Abkühlung der Verliebtheitsgefühle. Kein Rausch währt ewig. Sie fröstelt und er sagt: «Ich habe dir ja gesagt, du solltest dich wärmer anziehen.» Man grenzt sich wieder mehr ab. Die eigenen Bedürfnisse und Vorlieben werden weniger leicht zugunsten des Gemeinsamen zurückgestellt.

Die Unterschiedlichkeit der beiden Partner tritt jetzt deutlicher hervor.

Manchmal sogar zu deutlich, indem das, was einen damals so fasziniert und angezogen hat, einen jetzt plötzlich nervt. Das ist normal, dass der Punkt der Anziehung zum Punkt zum Konflikt wird! In solche Phasen braucht es etwas Arbeit an einem selbst und zusammen als Paar, um vom Level der verlorenen Verliebtheit zum wirklichen Lieben zu kommen. Meine Frau und ich brauchten dazu Unterstützung von aussen.

Beziehung braucht und erlaubt Abgrenzung

In einer Partnerschaft braucht es immer wieder Momente der Abgrenzung, um sich nicht an den anderen zu verlieren. Um der persönlichen Entwicklung willen, müssen wir manchmal nein sagen lernen. «Ich weiss, dass dir das nicht in den Kram passt, aber jetzt ist für mich diese Weiterbildung dran.» Wenn ein Partner seine eigenen Bedürfnisse durchsetzt, den Fokus auf seine Eigenentwicklung legt und sich selbst verwirklichen möchte, ist das für den anderen immer eine Herausforderung, ja eine Bedrohung. «Entgleitest du mir?» Auch für die Paarbeziehung selbst ist es eine Herausforderung:

«Bleibt vor lauter Ich unser Wir auf der Strecke?»

Solche Fragen und die damit verbundenen Ängste sind normal und berechtigt. Denn wir haben ja nicht beliebig viele Ressourcen.

Bewusste Zuwendung fördert die Beziehung

Alle unsere Kräfte sollen in die Eigen – und Paarentwicklung fliessen. Und darum ist die Zuwendung als Gegenbewegung zur Abgrenzung wichtig. Ich stelle meine eigenen Wünsche zurück. Ich verzichte, dir zuliebe. Ich frage nicht nur, wie es mir geht und was ich brauche, mein Blick sucht dich: «Wie geht es dir? Was bewegt dich in der Tiefe? Was kann ich dir Gutes tun?» Nach meiner Erfahrung gibt es in einer Partnerschaft, insbesondere in der Langzeitehe, Wellenbewegungen:

Da sind mal Abgrenzung und mehr Distanz angesagt, um der persönlichen Entwicklung mehr Raum zu geben. Und dann ist es wieder notwendig, das Gemeinsame zu stärken und zu entfalten, um damit die Paarbeziehung zu nähren.

Spiritualität als Kraft zum Nein und Mut zum Verzicht

Eine lebendige Gottesbeziehung löst uns aus der Halterung unseres eigenen Egos. Ich merke, wie mir der Blick auf Gott das Blickfeld für meine Frau weitet.

Die Spiritualität macht uns frei von der Fixierung auf uns selbst fixiert und schenkt uns zugleich den Mut, achtsam die eigenen Grenzen zu wahren.

Wir haben die Erfahrung gemacht, dass Partner mit der Hilfe Gottes gelernt haben, sich abzugrenzen, ohne dabei ein schlechtes Gewissen zu haben. Andere Partner haben entdeckt, dass Gott ihren Willen und ihre Liebe gestärkt hat, sich dem anderen wertschätzend zuzuwenden. «Du darfst nein sagen und musst nicht einfach immer nur gefallen! Ich schütze dich dabei»

So fühlte sich die Freiheit bei den einen an, in die sie Gott in ihrer Partnerschaft führte. «Ich befähige dich, Nähe zuzulassen und dich deinem Gegenüber zu schenken. Ich schütze dich dabei.» So fühlte es sich bei den anderen an, wenn sie sich auf das Abenteuer der Zuwendung in ihrer Partnerschaft einliessen.

Partnerschaftsberatung

In der Paarberatung an der Beratungsstelle Rhynerhus machen wir immer wieder die Erfahrung, dass sich eine ungesunde Balance von Zuwendung und Abgrenzung vorzufinden ist. Ideal ist, wenn beide Partner sich bewegen können, auch wenn nicht jeder die gleiche Flexibilität mitbringt. Das Gleichgewicht wird sich dann schon zu verschieben beginnen, wenn nur ein Partner wie Petra den Anfang macht und der andere Partner wie Klaus nachzieht.

Es ist die grosse Herausforderung in der Beratung, allparteilich je beide Partner im Blickfeld zu behalten und parallel dazu das Wohl der Partnerschaft nie aus den Augen zu verlieren.

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